Monatsspruch November 2025
Gott spricht: Ich will das Verlorene wieder suchen und das Verirrte zurückbringen und das Verwundete verbinden und das Schwache stärken. Ezechiel 34,16
Der November beginnt mit dem sogenannten „Schicksalstag der deutschen Geschichte“ am 9. November. Zur Erinnerung:
1918: Ausrufung der ersten deutschen Republik – 1938: Reichspogromnacht – 1989: Fall der Berliner Mauer.
Aufstieg und Fall in politischen Situationen. Menschen werden ermuntert und dann gedemütigt. Menschen erkämpfen sich auf den Straßen Freiheit und Demokratie.
Geschichte, die wir niemals vergessen dürfen. Und doch erleben wir gerade, wie Geschichte umgedeutet, Geschichtsrevisionismus in seiner schlimmsten Form. Die Schuldigen werden zu Helden deklariert, die Belange des Volkes vereinnahmt.
Antisemitismus und Rassismus werden wieder alltagstauglich. Und ich empfinde große Scham, wenn ich in die Politik schaue und frage mich, was ist mit den Menschen los?
Gerade der 9. November 1989 – manchmal ist mir, als wäre es gestern gewesen- wurde ja auch ausgelöst durch Menschen, die eben nicht nach einem neuen Führer gesucht haben, sondern die nach Freiheit und Vielfalt, nach offenen Grenzen und Demokratie gerufen haben. Friedlich, mit Kerzenschein und frommen Liedern.
Es war eine gute Zeit, wenn auch anstrengend, aber ich weiß für mein Leben war es die große Veränderung. Ich habe mich damals, gerade zu jener Zeit ordiniert, oft gefragt, was wäre ich geworden, wenn ich nicht in der DDR zur Schule gegangen wäre und wenn mir nicht so viele Steine in den Weg gelegt worden wären als Pfarrerstochter. Heute weiß ich: Ich wäre genau das geworden, was ich bin, der Weg dahin wäre einfacher gewesen. Damals gab es viele Momente, wo ich mich verwirrt und verirrt gefühlt habe.
Gleichzeitig aber blieb auch immer der hoffnungsvolle Blick auf bessere Zeiten.
All diese Gedanken streifen mich immer im November. Dieses Jahr besonders, weil ich ein wenig Angst habe vor all der verdrehten Geschichtsumschreibung, die hier im Land geschieht.
Und dann die vielen Kriege! Mitten in der Vorbereitung auf die Friedensdekade, merke ich, wie sich mein „Pazifismus“ verändert hat.
Friedendekade, beten für einen Frieden, der höher ist als alle menschliche Vernunft, einen Frieden, den Menschen offenbar nicht machen können. Frieden in einer Zeit, die sich wie Krieg anfühlt. Sollten wir nicht alles dafür tun, dass durch Krieg kein Angreifer als Gewinner hervorgeht? Ein Krieg heute darf sich nicht lohnen! Helfen wir den Angegriffenen, auch mit Waffen- machen wir uns schuldig, helfen wir nicht, machen wir uns auch schuldig. Es ist ein Dilemma. Und wieder verwirrt es mich und ich fühle mich in dieser Welt verirrt. In Kriegen gibt es keine Helden, nur Opfer und Menschen, die anderen geholfen haben, nicht Opfer zu werden.
Der Prophet Ezechiel war ein Exil-Prophet. In der babylonischen Gefangenschaft spricht er zu dem bedrängten Volk. Seine Rede eine Gerichtsrede über das Volk Israel und eine harte, klare Abrechnung mit den Mächtigen im Volk. Denn sie waren es, die Ausgrenzung und Spaltung produziert haben. Sie haben die Armen missachtet und verachtet, sie haben die Bedürfnisse ignoriert, sie haben sich selbst zu Führern und schlechten Anführern auserwählt. Ihre Gier nach Macht, ihre eigen Habgier hat andere ins Unglück gebracht.
Der Prophet redet von einem Gott, der ein ganz anderes Programm für das Volk hat.
Es steht im krassen Gegensatz zu dem menschlichen Treiben.
Das Verlorene suchen – Das Verirrte zurückbringen – Das Verwundete verbinden –
Und das Schwache stärken!
Ein gutes Programm für ein Volk, das am Boden liegt. Aktuell damals wie heute.
Gott geht anders mit den Menschen um. Es zählt die Würde des Einzelnen, der Einzelnen. Niemals würde Gott jemand unter die Räder kommen lassen.
Ich atme auf- auch in der dunklen Zeit. Da ist Heil und Heilung.
Pfarrerin Ursula Wegmann
Pfarrsprengel Region Ortrand








