Interview mit Pfarrer i. E. Kevin Houghton

Können Sie uns etwas über sich erzählen? Woher kommen Sie ursprünglich?
Die Besonderheit meiner Herkunft liegt darin, dass mein Vater beim amerikanischen Militär war und wir dadurch oft umgezogen sind. Wir haben in verschiedenen Ländern gelebt: in Deutschland, den USA, Italien und zuletzt in Österreich. In Österreich habe ich am längsten gelebt, was mich stark mit diesem Land verbindet. Dort leben auch noch meine Eltern, die dort bleiben möchten. Deshalb sage ich immer: „Ich komme aus Österreich, aber ich habe deutsch-amerikanische Wurzeln.“

Warum haben Sie sich entschieden, Pfarrer zu werden?
Schon als Kind fand ich alles, was mit Religion zu tun hat, sehr faszinierend. Ich habe damals die „Was ist was“-Bücher über Weltreligionen gelesen und regelrecht verschlungen. Trotzdem war mir damals nicht klar, dass ich Pfarrer werden wollte. Als Jugendlicher hatte ich dann eine distanziertere Haltung zur Kirche. Ich wollte Spaß haben und feiern. Nach der Schulzeit stellte sich mir die Frage: „Was soll ich nun eigentlich studieren?“ Dabei habe ich meine alte Begeisterung für alles Religiöse wiederentdeckt. Während des Theologiestudiums, später dann auch während des Gemeindepädagogikstudiums, wurde mir schnell klar, dass ich Pfarrer werden möchte. Es kristallisierte sich heraus, dass kein anderer Beruf mehr für mich infrage kommen würde. Der Beruf ist sehr facettenreich: Ich sorge mich gerne um Menschen, werde aber auch gerne von ihnen inspiriert. Ich höre ihnen gerne zu und finde es einzigartig, Menschen an wichtigen Schnittstellen ihres Lebens, wie Hochzeit, Taufe oder Beerdigung, zu begleiten und ein Teil ihrer Lebensgeschichte sein zu dürfen.

Wo haben Sie Ihr Vikariat gemacht?
Ich habe mein Vikariat gute 2 Jahre lang in Potsdam an der Friedenskirche im Schlosspark Sanssouci absolviert. Davor war ich ein halbes Jahr an der Schule und habe Religionsunterricht erteilt. Es war ein großes Privileg, mein Vikariat an solch einem schönen Ort machen zu dürfen – mit einem tollen Mentor und einer engagierten Gemeinde an meiner Seite.

Welche Pläne haben Sie für Ihren Entsendungsdienst?
In den ersten Monaten möchte ich vor allem wahrnehmen, was die Menschen bewegt und welche Akteure vor Ort eine wichtige Rolle spielen. Ich bin ein großer Freund von Vernetzung. Das habe ich von meinem Mentor in Potsdam gelernt. Perspektivisch wünsche ich mir, nicht nur in den südlichen Gemeinden mit der Kreuzkirche und der Christuskirche zusammenzuarbeiten, sondern stadtweit – auch mit der Innenstadtgemeinde in Görlitz und der Hoffnungskirche. Mein Ziel ist es, das „Kirchturmdenken“ zu überwinden und zu sagen: „Wir sind eine evangelische Kirche in Görlitz.“ Dabei möchte ich niemandem seinen Kirchturm wegnehmen, sondern vielmehr schauen, wo wir Ressourcen und Arbeitskraft bündeln und uns professionalisieren können, um gemeinsam Ideen umzusetzen und in die Stadt auszustrahlen. Jetzt, als Pfarrer im Entsendungsdienst, möchte ich vor allem weiter lernen, wahrnehmen, mich in Bewährtes einfinden, das Gute erhalten und noch mehr Gutes ermöglichen.

Welche Ideen haben Sie, um Menschen zu erreichen und zu gewinnen?
Durch Vernetzung. Es gibt viele Akteure, die auf den ersten Blick vielleicht wenig mit Kirche zu tun haben – etwa die Freiwillige Feuerwehr, der Sportverein oder die Lokalpolitik. Mein Ansatz ist es herauszufinden, welche weiteren Player vor Ort vorhanden sind und wie wir gemeinsam Gesellschaft prägen und gestalten können. Kirche findet meiner Meinung nach oft auch dort statt, wo man es nicht erwartet. Kirche ereignet sich folglich nicht nur sonntags um 10 Uhr, sondern beispielsweise auch beim Grillen im Rahmen unseres wöchentlichen Kirchentags. Es gibt unzählige Formen und Gestaltungsmöglichkeiten. Besonders am Herzen liegt mir dabei auch die Arbeit mit der Jungen Gemeinde, die eventuell Sorgen, aber vor allem auch Wünsche hat. Kinder und Jugendliche sind die Zukunft der Kirche. Daher ist es mir ein Anliegen, ihnen zuzuhören und ihre Ideen zu fördern, damit sie eines Tages selbst Kirche gestalten können.

Haben Sie die Jugendlichen bereits getroffen?
Noch nicht. Am Montag, dem 13. Januar 2025, werde ich sie zum ersten Mal treffen. Die Junge Gemeinde trifft sich immer montags um 18 Uhr. Ich freue mich schon darauf, sie kennenzulernen. Besonders gefreut habe ich mich, dass einige von ihnen mich bereits an meinem zweiten Tag mit einem Ständchen vor meinem Küchenfenster willkommen geheißen haben.

Welche Erwartungen haben Sie?
Ich erwarte, dass ich mich gut auf die Gemeinde einlassen kann und die Gemeinde auch offen auf mich zugeht. Mein Ziel ist es, gemeinsam einen Weg zu finden – als vernetztes Team, das aufeinander achtet und miteinander wächst. Ein besonderes Augenmerk habe ich auf die Bundestagswahl im Februar. Es ist mir wichtig, dass wir als evangelische Kirche in Görlitz Halt und Orientierung bieten, ohne dabei politisch zu agitieren, sondern auf Christus und sein Evangelium verweisen.

Haben Sie schon Gemeindemitglieder kennengelernt?
Ich habe bereits viele Gesichter gesehen, begrüßt und kennengelernt. Mir die Namen zu merken fällt mir noch schwer, aber langsam wird mir klar, wer in der Gemeinde aktiv ist und welche Netzwerke bestehen. Es wird jedoch noch etwas dauern, bis ich den vollen Überblick habe.

Was finden Sie besonders herausfordernd?
Eine große Herausforderung ist der demografische Wandel, der sich auch und insbesondere auf die Kirche auswirkt. Die Mitgliederzahlen gehen offenkundig zurück. In unserer Gemeinde waren es bis dato noch etwa 1.000 Mitglieder; mittlerweile dürfte die Zahl sicherlich weiter gesunken sein. Es kommen leider auch immer weniger Kinder und Jugendliche nach. Gleichzeitig müssen wir mit begrenzten Ressourcen und weniger aktiven Mitgliedern umgehen. Eine Lösung sehe ich in verstärkter Vernetzung – vor allem auch über Gemeindegrenzen hinaus. Langfristig wird es sicher nötig sein, noch enger mit den Nachbargemeinden zusammenzuarbeiten.

Haben Sie schon Pläne für die Zeit nach der Entsendung?
Noch keine konkreten. Ich habe jedoch gemerkt, wie anstrengend ein Umzug sein kann. Deshalb würde ich mir wünschen, nach der Entsendung hierbleiben zu dürfen – vorausgesetzt, die Gemeinde möchte das ebenso. Ich bin jedenfalls offen dafür.

Vielen Dank für das Gespräch.
Wir wünschen Pfarrer Houghton viel Erfolg in seinem Dienst.