Evangelische Gesamtkirchengemeinde Hohe Dubrau-Gemeindevorstellung von Pfarrerin Christiane Mantschew

Darf ich vorstellen: Die Evangelische Gesamtkirchengemeinde Hohe Dubrau – mit den Ortskirchen Förstgen, Gebelzig und Groß Radisch

Ich stelle sie mir als Frau vor, in die Jahre gekommen, grundsätzlich zufrieden mit ihrem Leben. Sie lebt zwischen sanften bewaldeten Hügeln, genießt jeden Tag die frische Luft, erfreut sich bei ihren Spaziergängen an mancherlei Tieren, die friedlich auf den Wiesen und Feldern grasen: Damwild, Rehlein, Kühe und Rinder, im Frühjahr die Kälbchen, zahlreiche Schwäne auf den Teichen und manchmal auch auf der Straße, Hunde und Katzen sowieso. Es ist schön hier! Die Menschen sind freundlich.

Meine Dame hat drei Kinder: zwei Söhne und eine Tochter, von denen die beiden ersten ihren Namen von dem Ort haben, wo sie „entstanden“ sind: Sohn Gebelzig (Gbelsk –an der Flussbiegung) ist etwa 600 Jahre alt (so genau kann man das ja nicht mehr feststellen); etwa 100 Jahre später wurde Töchterchen Förstgen geboren -aus Liebe zum Wald – in dem sie entstanden ist. „Förstchen“ wird sie immer noch liebevoll genannt von denen, die mit ihr aufgewachsen sind.

Und da ist Radis – „Groß Radisch, mein Großer“ – nennt ihn die Mutter zärtlich, weil er die beiden anderen um ein paar Meter überragt. Sein „Markenzeichen“ ist der Monumentberg.

Die Kinder sind längst erwachsen. Jeder hat ein schönes Haus:

Der Älteste, Gebelzig, liebt es eher prächtig, barock, mit Gold und dicken süßen Engelchen als Deko.

Förstgen, das Naturkind, hat das Haus ihrer Großeltern geerbt – leider sind alle prächtigen Möbel durch Kriegshandlungen verbrannt.

Jetzt besteht die Einrichtung aus schlichten Kiefernmöbeln – ohne Deko und sonstigem Schnickschnack. Das mag sie nicht.

Der große Radisch liebt es edel, elegant: sein Haus hat einen hohen weißen Turm, der von weitem schon zu sehen ist. Innen ist das Haus ausgestattet mit rotem Teppich, goldglänzenden Leuchtern, viel Licht. Ein schöner Raum zum Feiern.

So hat jedes Kind der Dame Hohe Dubrau sich sein Leben aufgebaut, geheiratet, Kinder bekommen, Beziehungen sind wieder auseinandergegangen, neue wurden geschlossen.
Wie es im Leben manchmal ist. So sind die Jahre dahingegangen.

Jeder hat versucht, das Beste aus seinem Leben zu machen, für seine Familie zu sorgen, sich einladend, gastfreundlich zu geben; die Kinder, Enkel und Urenkel zusammenzubringen, sein Haus und Grundstück in Ordnung zu halten, vorsorglich Geld anzusparen für eine nötige Baumaßnahme. Damit konnte beispielsweise Gebelzig, der Älteste, sein Erbe, ein altes Pfarrhaus, umbauen und nutzbar machen. Alte Wände wurden eingerissen, neue Räume geschaffen – ein Haus nicht nur für die eigene Familie, auch die Familien seines Bruders und seiner Schwester treffen sich gerne hier.

Hier toben die Kinder, chillt die Jugend, versammeln sich die Alten mit ihren Erinnerungen und Träumen und alten Gesängen, treffen sich Frauen zu Handarbeiten und zum Austausch über Freud und Leid.

Sogar einen Familienchor gibt es. Es gibt viele musikalische Leute in der Familie, das ist schön! Orgelspieler und Bläser: Einmal in der Woche ist es besonders laut, wenn der Bläserchor übt – für seine Ständchen zu den Familienfeiern – ob zu Weihnachten oder Ostern, bei Taufen, Konfirmation, Hochzeiten und Beerdigungen. Die Trauerfeiern sind leider besonders zahlreich, da es viele alte Menschen in der Familie gibt.

Immer öfter geht die Mutter Hohe Dubrau über die friedlichen Höfe ihrer Kinder, bleibt hier und da an einem Grab stehen, erinnert sich: Sie hat schon viele Menschen kommen und gehen sehen.

Manchmal denkt sie schon an ihren eigenen Tod. Sie muss unbedingt mit ihren Kindern darüber reden. Und auch, wie es weitergeht. Sie müssen zusammenhalten!

Sie seufzt, sie kennt ihre Lieben, ihre Stärken und ihre Hingabe, ihren Stolz und ihre Eitelkeiten, ihre Schwächen und Krankheiten. Manchmal ist da so eine depressive Stimmung, Jammern, Zurückschauen: Früher war alles besser! –

Die Mutter könnte ausflippen, wenn sie das hört! Da möchte sie am liebsten mit der Faust auf den Tisch schlagen: Hört doch auf damit, mit Jammern ist kein Blumentopf zu gewinnen, ihr lebt und ihr habt doch so viel Schönes geschaffen und erreicht! –

Naja, denkt die alte Dame, ich kann jetzt auch nicht mehr viel bewirken.

Aber was kann ich tun?

Und dann hat sie eine Idee: Sie ruft ihre drei Kinder zusammen, sie möchte etwas Wichtiges mit ihnen besprechen. Dann sitzen sie an einem Tisch, Gebelzig, Förstgen und der Große Radisch. Die Mutter blickt jeden mit großer Liebe an.

Sagt: Ich habe euch zusammengerufen, ich möchte rechtzeitig meine vorletzten Dinge geregelt wissen. Ich habe ein großes Erbe für Euch. Aber das erfahrt ihr erst nach mir.

Nur eine Bedingung habe ich: Dass ihr einander versprecht, in guten und in bösen Zeiten

wirklich als Geschwister zu leben und Eure Reichtümer einmütig da einzusetzen, wo es nötig ist. Niemand soll allein sein in der Not. Das sollen Eure Kinder -meine Enkel und Urenkel – von Euch lernen. Als Gotteskinder seid ihr untereinander Geschwister. Die sich auch mal streiten, klar. Aber man kann sich gegenseitig vertrauen und aufeinander verlassen.

So sprach die Mutter. Ihre Kinder schauten zuerst nach unten. Als ob sie nachdachten. Oder nicht wussten, was das soll. Aber sie liebten ja ihre Mutter. Und sie hatten sich auch als Geschwister gerne. Dann aber hoben sie langsam ihren Blick, schauten sich an, zuerst etwas scheu, unsicher. Nun mussten sie alle lachen. Erleichtert.

Ja, das könnte etwas werden!

Ein Märchen. Mit ein paar Funken Wahrheit.

Und einem Happy End: Seit Januar 2025 sind wir eine Gemeinde, die Evangelische Gesamtkirchengemeinde Hohe Dubrau. Annäherungen gibt es schon seit einigen Jahren.

Auch geschwisterliches Teilen von Geld und Aufgaben.

Natürlich ist da auch die Sorge: Was geben wir auf, wenn wir alles gemeinsam planen und verwalten? Vor wenigen Tagen haben wir unseren ersten gemeinsamen Haushalt beschlossen. Es ging auf einmal so leicht.

Da sind einige Mauern gefallen zwischen engen Räumen.

Aber manches wurde größer und schöner: das Singen vielstimmig, das Feiern bunter,

eine Vielfalt an Kräften und Gaben. Und jedes der Gemeinde-Geschwister hat sich mit seinen Sorgen und Hoffnungen im andern erkannt – Geschwister-Ähnlichkeiten eben.

Aber auch Besonderheiten. Beides lässt uns erkennen, dass sie einander brauchen und aufeinander angewiesen sind in der Welt.

Und als Christenmenschen können wir zum Zeugnis werden für die Welt: Seht, wie schön und lieblich ist es, wenn Brüder und Schwestern einträchtig beieinander wohnen… Wo dies geschieht, hat der Herr seine Segen versprochen! (Psalm 133)

Zuletzt mein frommer Wunsch (mit Psalm128):

Meine liebe Gemeinde Hohe Dubrau, mögest du so lange leben, dass du noch die Kinder deiner Kinder sehen kannst!

Pfarrerin Christiane Mantschew
(im Pfarrkonvent am 5. März 2025)