Pfingsten – ein verstörendes Fest
Pfingsten ist ein verstörender Geburtstag. Ein Geschenk, das nicht sichtbar ist und doch für Unruhe sorgt. Ein Geschenk, das nicht „be“-greifbar ist und sich trotzdem ganz schön heiß anfühlt. Aus der kleinen Gemeinschaft der Freunde um Jesus, die da versteckt sitzt, fragend und noch nicht begriffen hat, wie das Leben jetzt weitergeht, wird plötzliche eine muntere Party, eine „multilinguale Party“. Sie reden in Sprachen, die sie vorher nicht sprechen konnten. Neulich hörte ich eine Werbung für eine „Sprachdusche“, mit der auch ältere Menschen ganz schnell und bequem Fremdsprachen lernen können. So eine „Sprachdusche“ hatten wohl die Jünger abbekommen. Nicht nass, aber feurig. Ein Geschenk, wie sich herausstellte, damit sie Feuer und Flamme wurden für die Aufgabe, die vor ihnen lag: Das Evangelium zu verkünden. Und die Menschen draußen haben zwar die Sprache verstanden, aber nicht, wie das geschehen konnte. Sie haben das Geschenk nicht verstanden. Dieser erste Geburtstag war verstörend. (Oder waren sie doch etwa betrunken, wie einige Außenstehende sich das alles erklärten?)
Bis heute ist Pfingsten das kirchliche Fest, mit dem die wenigstens etwas anfangen können. Das Geschenk des Heiligen Geistes – für alle, niemand geht leer aus. Verstörend. Das Evangelium- immer noch als gute und lebensbejahende Botschaft. Verstörend. Der Gedanke an Frieden und ein gutes Miteinander mit allen Menschen, auch mit den Fremden und Andersdenkenden und Andersgläubigen. Verstörend.
Und doch feiern wir zwei Tage Pfingsten, wie alle großen kirchlichen Feste. Der freie Pfingstmontag ist seit der Weimarer Republik in der Verfassung festgeschrieben. Weil es sich doch einfach lohnt, mal so richtig gestört zu werden in dem Alltag der Sorgen und der Kriege und der vielen Dinge, die uns ohnmächtig machen.
Gestört und neu orientiert, mit Verständnis und Sprache, einer guten Kommunikation mit Worten für die Worte der Heiligen Schrift. Immer noch will das Evangelium in diese Welt hinaus. Und vielleicht stört es ja dann auch Menschen, die einfach nicht aufhören können, Macht auszuüben, Kriege zu führen, andere in Bedrängnis zu bringen. Lassen wir uns doch mal Pfingsten gehörig stören vom Heiligen Geist.
Gesegnete und verstörende Pfingsten!
Ursula Wegmann
Pfarrerin im Evangelischen Pfarrsprengel Ortrand |