Bald stehen Sie vor der Einführung ins Pfarramt: Was bedeutet das für Sie?

Meine Amtseinführung ist wie der Abschluss eines sehr langen Ausbildungsweges: Studium, 1. Examen, Vikariat, 2. Examen und Entsendungsdienst und nun endlich die Einführung in die erste Pfarrstelle. Ehrlich gesagt ist diese Einführung aber eher ein formaler Akt, der nun noch dazugehört. Viel emotionaler war für mich die Ordination in Görlitz und meine Vorstellung in der Gemeinde vor zweieinhalb Jahren. Da war ich aufgeregt! Das bin ich jetzt nicht so sehr.
Aber es ist für mich natürlich auch toll, dass ich nach meinem Entsendungsdienst auf der Pfarrstelle in Weißwasser bleiben kann und dass sich die Weißwasseraner Gemeinde für mich entschieden hat. Dass Katharina, meine Frau, nach Weißwasser gezogen ist und dass wir ein Kind bekommen haben – das alles hat sich so gut gefügt und deshalb bin ich über meine Einführung auch sehr dankbar.
Für manche in der Gemeinde ist es nach dem dramatischen Verlust meines Vorgängers Martin Zinkernagel und einer herausfordernden Vakanzzeit sicher auch beruhigend zu hören, dass wir jetzt erst einmal in Weißwasser ankommen wollen.
Welche Herausforderungen stehen vor Ihnen?
Ganz persönlich: In manchen Bereichen stehe ich immer noch plötzlich vor Fragen, mit denen ich mich noch nie beschäftigen musste. Nach zweieinhalb Jahren Pfarrdienst gibt es sicher auch schon einige Routinen, aber auf Vieles bin ich nach meinem Theologiestudium und Vikariat nicht vorbereitet: Stichwort Verwaltung, Finanzen, Vermietungen, Personalplanung … Wenn ein Brief vom Anwalt eines Nachbargrundstücks auf meinem Schreibtisch landet oder Bescheide von irgendeiner sächsischen Behörde für unsere Kita fehlen, dann denke ich mir: Ich bin doch Pfarrer geworden und kein Verwaltungsfachangestellter!
Dann ist es mit den dünner werdenden Strukturen in unserer Kirche auch so, dass nach meinem Eindruck immer mehr Aufgaben auf den Schultern der Gemeinden und speziell der Pfarrerinnen und Pfarrer lasten. Dass man vor diesem Hintergrund so manche Erwartung in der Gemeinde und darüber hinaus auch enttäuschen muss, das ist für mich sehr herausfordernd.
Und abgesehen von mir persönlich: In einer kleiner werdenden Gemeinde ist es manchmal schwer mit dem Schrumpfen zurechtzukommen und trotzdem auch das große Potential zu sehen: Wir sind zum Beispiel immer noch die größte Organisation in unserer Stadt mit weit über 1.000 Mitgliedern. So groß ist kein anderer Verein und keine andere Gruppe. Und für den Kern dessen, was wir in der Gemeinde tun, das Evangelium von Jesus Christus in unsere Stadt und in die Welt zu tragen und dabei barmherzig und freundlich zu sein, dafür braucht es nicht viel.
Mir persönlich macht die Arbeit als Pfarrer übrigens meistens auch sehr viel Spaß. Es gibt wohl keinen so abwechslungsreichen und schönen Beruf wie den Pfarrberuf!
Was wünschen Sie sich in der Zusammenarbeit mit Ihren Gemeindemitgliedern?
Ich habe mir vorgenommen, dass ich bei meinen Besuchen und den Begegnungen alle Gemeindeglieder kennenlerne. Das habe ich noch nicht geschafft – daran arbeite ich weiter. (lacht) Und dann wünsche ich mir, dass die Gemeindemitglieder zu Botinnen und Boten werden, denen die christliche Botschaft etwas bedeutet, und dass sie das hinaustragen in die Stadt, auf die Arbeit, in ihre Freundeskreise. Dafür brauchen sie ja noch nicht einmal einen Pfarrer. Und für die herausfordernden Fragen wünsche ich mir natürlich möglichst viele Menschen, die an einem Strang ziehen können.
Was bedeutet eine gute Gemeinde für Sie?
Eine gute Gemeinde ist für mich eine, die offen ist für die Welt um sie herum und für Neues; eine, die sich nicht nur mit sich selbst zufriedengibt und damit, dass alles so ist, wie es immer war. Sondern die sich in den Köpfen und Herzen immer wieder von Gottes Versprechen für das Leben bewegen lässt, dass die Dinge veränderbar sind und wir daran mitwirken können, sie zum Besseren zu wenden.
Und dann ist für mich eine gute Gemeinde auch eine, in der Unterschiede ausgehalten werden können. Wir haben unterschiedliche Meinungen, aber ich muss meinen eigenen Standpunkt nicht absolut setzen. Ich weiß nämlich, dass der auch sehr beschränkt sein kann. Übrigens habe ich so eine Gemeinde, die mit unterschiedlichen Prägungen und Ansichten umzugehen weiß, in Weißwasser kennengelernt und das ist für mich sehr wertvoll.
Eine gute Gemeinde eröffnet für mich immer etwas: Räume, Begegnungen, Gespräche, die Auseinandersetzung mit anderen Meinungen. Ganz buchstäblich mit ihren vielen Räumen und mit offenen Türen, hoffentlich aber auch in der Haltung der Menschen, die zusammenkommen.